Vielleicht, liebe Webseitenbesucher, fragen Sie sich, wie jemand im Streaming-Zeitalter auf die Idee kommt, neben den unzähligen Medienplayern, die es gibt, noch einen weiteren anzufertigen. Der Grund dafür ist aber einfach – ich habe nichts gefunden, was sich für den ursprünglichen Zweck eignete.
Wissen Sie noch, was eine Musikbox (englisch Jukebox) ist?
Dabei handelt es sich um Schallplattenabspielautomaten mit vielen Singles, einem Münzeinwurf und einer
Wahlvorrichtung. Sie hatten einen mechanischen Speicher, um sich zu merken, welche Platten gespielt werden sollen.
Später wurde der mechanische Speicher durch einen elektronischen ersetzt, anfangs teils mit Ringkernspeicher,
dann mit Microcomputer. Diese Automaten der Firmen Wurlitzer, Seeburg, Rowe-Ami oder NSM standen bis vor 50 Jahren
in vielen Cafés und Kneipen. Man konnte Geld reinwerfen und sich dann die Schallplatten wählen, die man hören wollte. Oft
wurden sie von sogenannten Automatenaufstellern betrieben, und die Wirte bekamen einen Teil der Einnahmen.
Irgendwann wurden aber die fürs Schallplattenabspielen verlangten Vergütungen und Gebühren zu hoch (GEMA,
Automatenaufstellerlizenz, Pauschalsteuer), außerdem kamen die ersten Kassettenrecorder auf den Markt, und das
Interesse an Musikautomaten nahm entsprechend ab, so daß die Jukeboxen nach und nach aus der Öffentlichkeit
verschwunden sind, nur noch in alten Filmen sieht man sie gelegentlich. Jetzt gibt es aber eine große Zahl von
Enthusiasten, die derartige Geräte in ihren Partyräumen oder Wohnzimmern stehen haben. Wie aktiv die Szene ist,
sieht man auch im Forum von Jukebox-World.
Vor vielen Jahren hatte sich mein Cousin hier in der Nachbarschaft mit der Restaurierung und Reparatur solcher
historischer Musikboxen selbständig gemacht. Ich habe hobbymäßig gelegentlich für ihn 8-Bit-Steuercomputer und
andere Elektronikbaugruppen repariert.
Seit einiger Zeit gab es nun immer öfter Interesse an Umbauten oder Erweiterungen von Geräten aus den 80ern mit
MP3-Playern. Ältere mechanische Musikboxen sind ein anderes Thema, die müssen natürlich originalgetreu bleiben.
Aber Modelle mit CDs oder auch manche Wallboxen oder Fernwähler (eine Art elektromechanische Fernbedienung für
mechanische Jukeboxen, googeln Sie mal nach „Seeburg Wallbox“), die in schönen verchromten Gehäusen mit einer
gebogenen Glasfront stecken, werden gern umgebaut, so daß es inzwischen auch spezielle Umrüstsets und sogar
Nachbauten gibt. Zwar gibt es auch bei den Wallboxen Modelle, bei denen ein Umbau der Innereien nicht in Frage
käme, aber von manchen Exemplaren hatten nur die Gehäuse überlebt, außerdem existieren viele Geräte, die eher
als Massenware gelten, und deren Modifikation nicht tabu ist.
Das hatte mich auf die Idee eines Players mit Textanzeige gebracht, mit dem wir uns etwas von den anderen Lösungen
abgehoben hätten. Da keine passende Software zu finden war, habe ich mir also eine geeignete Programmierumgebung
gesucht und angefangen. Die Wahl dabei war auf das Multimediasystem
Hollywood gefallen, das für den geplanten Funktionsumfang optimal
gewesen wäre. Das Programm sollte Musik abspielen und die zugehörigen Texte anzeigen, und die Steuerung wäre
über die Tasten der Wallbox geschehen. Leider ist es aber nie zu einem verkaufbaren Produkt gekommen, weil mein
Cousin eine Non-Hodkins-Erkrankung nicht überstanden hat.
Obwohl also das vormalige Ziel etwas verlorengegangen war, habe ich trotzdem daran weitergebastelt und das ganze
inzwischen zu einem kompletten Player mit grafischer Oberfläche erweitert. Die ursprünglich nicht geplante, aber
jetzt dafür notwendige selbstgebaute Touchscreen-GUI war allerdings durchaus eine Herausforderung, weil es
für diese Art der Bedienung keine Bibliotheken gibt.
Konkret ist also jetzt ein Musikabspielprogramm für allerlei Betriebssysteme entstanden, das parallel zur
Musikwiedergabe synchronisierte Texte anzeigt, die als
LRC-Dateien (Texte mit Zeitstempeln) vorliegen oder
in der Musikdatei eingebettet sind.
Das Programm spielt die Stücke entweder per Zufallswiedergabe oder per Playlist, und es kann im Stil einer
Musikbox benutzt werden, wobei dem Benutzer die Stücke in Form von Jukebox-Titelstreifen („title strips“)
angeboten werden. (Na gut, nicht ganz,
denn bei den originalen Titelstreifen steht meistens der Interpret in der
Mitte und oben und unten die A- und B-Seite der Single.)
Die Bedienoberfläche des Programms ist für kleine Touchscreens optimiert, mein erster daraus entstandener
Player ist ein Raspberry-Pi 3, der zusammen mit einem 5"-Display im Gehäuse eines defekten Internetradios steckt.
Das Programm hat sich aber auch schon auf einem riesigen Bildschirm eines Konferenzraums gut geschlagen.
Und obwohl bereits viele Programme oder Apps existieren, die Liedtexte zur Musik anzeigen, denke ich, daß
meine Funktion zum Scrollen der Texte eine Neuerung darstellt. Gerade weil ich nichts fand, das die Schrift
auf dem Bildschirm so bewegen konnte, wie ich es mir vorstellte, habe ich mit Lyrics Jukebox begonnen. Der
Aufwand, einen Algorithmus zustandezubringen, der mit den Zeitstempeln verschiedenster Stücke zurechtkommt
und trotzdem eine möglichst gleichmäßige Bewegung ohne abrupte Geschwindigkeitsänderungen erzielt, war dann
auch beträchtlich höher als erwartet. Nach mehreren Anläufen, mit denen ich nicht zufrieden war, habe ich
schließlich auf die Kinematik zurückgegriffen und berechne die Beschleunigung für vorgegebene Werte von Weg
und Zeit.
Wie immer bei derartigen Projekten gibt es noch viel an Verbesserungspotential. Irgendwann kommt beispielsweise die Unterstützung weiterer Musikdateiformate hinzu.